Design ist human(ity)-centered

Ein edukativer Ansatz, um ganzheitliches Design zu lehren

Das 6. globale Massensterben ist bereits im Gange (Ceballos et al., 2017) und es passiert zu wenig, um es aufzuhalten. Es stellt sich sogar die Frage, ob man es überhaupt noch aufhalten kann? Wir alle, als Menschheit, sind wesentlich an der Gestaltung unserer Welt von morgen beteiligt, insbesondere jene, die gestalterisch arbeiten. Als Designer:in stellt sich in diesem Zusammenhang nun die grundlegende Frage, ob wir mit unseren Lösungen und Designs noch weitere Probleme schaffen oder beginnen, in unseren Designentscheidungen einen gesünderen Planeten und eine nachhaltige Zukunft für die Menschheit zu gestalten.

In seinem Buch Philosophie für Designer beschreibt Arnold (2016) die zwiespältige Rolle von Designer:innen als Verursacher:innen und gleichzeitig Löser:innen von Problemen deutlich: „Tagtäglich ergeben sich uns nicht nur neue Möglichkeiten, sondern vor allem Probleme, wie sich unsere Gegenwart auf eine Weise gestalten ließe, dass uns überhaupt noch eine Zukunft beschieden ist. Denn nicht wenige vergangene Lösungen des Designs entpuppen sich heute als hausgemachte Probleme, die nach nachhaltigeren Lösungen verlangen.“ (Arnold, 2016, S164)

Hausgemachte Probleme, die vielfach durch alleiniges oder beteiligtes Tun von Designer:innen entstanden sind. Designlösungen für den Menschen, aber eigentlich nicht im Sinne unserer Menschheit. Probleme, die einer nachhaltigen Zukunft im Wege stehen und uns langfristig Schaden zufügen. Design im Sinne einer nachhaltigeren und grüneren Zukunft bedeutet somit, dass wir als Designer:innen in unserem gestalterischen Tun nicht nur den Menschen und dessen Bedürfnisse in den Fokus stellen müssen, sondern auch die Menschheit und deren Existenz- und Grundbedürfnisse.

Everyone designs who devises courses of action aimed at changing existing situations into preferred ones.“ (Simon, 1988, S. 67)

Für alle Lösungen, die gestaltet werden, bedarf es einer Herangehensweise, die nicht nur echten Wert für die einzelnen Nutzer:innen schafft, sondern außerdem auch im Sinne einer nachhaltigen und gesunden Zukunft ist.

Ein edukativer Ansatz

Aus diesem Grund soll ein edukativer Ansatz entwickelt werden, der kreatives Denken und den vermeintlichen Spagat zwischen nachhaltigem Agieren und nutzer:innenzentriertem Gestalten schafft. Anhand von problembasierten Lernen soll dieser Ansatz einer breiten Zielgruppe verständlich gemacht werden. Es soll visuellen Gestalter:innen zeigen, wie man komplexe und reale Probleme nachhaltig lösen kann – nachhaltig im Sinne einer Lösung mit Wert und Nutzen als auch nachhaltig im Sinne unserer Umwelt.

Der Ansatz soll das duale Konstrukt von Design in Betracht ziehen: Design als die entstehende Lösung und Design als Prozess. Er soll Design vielmehr ganzheitlich betrachten – den Prozess, die Methoden, das Mindset als auch die gestalterischen Fähigkeiten vermitteln und dadurch visuelle Designer:innen ausbilden, damit sie in Zukunft eine wertvolle und nachhaltige Arbeit leisten können, sowie ökonomische und ökologische Herausforderungen meistern können.

Ganzheitliches Design bedeutet menschen- als auch nachhaltigkeits-zentrierte Designs zu schaffen. Im Kern des Designs werden die Bedürfnisse der jeweiligen Nutzer:innen angesprochen und ein Wert für diese geschaffen. Im Designprozess selbst, bei sämtlichen Designentscheidungen, wird nachhaltig agiert und dadurch die langfristige Wahrung der Existenz- und Grundbedürfnisse der Menschheit ermöglicht. 

Bestandteile

Wesentliche Bestandteile ganzheitlichen Designs sind unter anderem:

Kreatives Denken
Im Design werden komplexe Probleme gelöst. Sie werden gelöst, indem zuerst hinterfragt werden muss, was die Wurzeln des Problems sind, denn zumeist sind die genannten Probleme nur Ursachen eines Problems, das noch nicht entdeckt wurde (Norman, 2013). Genau diese Vorgehensweise ist uns von Kind an natürlich gegeben. Als Kinder sind wir Forscher:innen und wollen Dinge verstehen, um sie für uns einzuordnen. Wir hinterfragen Dinge und wollen mehr darüber wissen als uns gesagt wird. Im Laufe der Jahre verlieren wir diese natürlich Gabe, denn wir werden in unserer Schulzeit vor Problemen gestellt, die anhand eines vordefinierten Weges gelöst werden können. Doch komplexe und reale Probleme können nicht anhand eines vordefinierten Weges gelöst werden, sondern müssen zuerst einmal genauer unter die Lupe genommen werden, bevor überlegt werden kann, wie denn eine Lösung dazu aussehen kann.

Nutzer:innenzentriertes Gestalten
Im Fokus jeder Problemstellung und -lösung sollte der-/diejenige stehen, der/die vom Problem betroffen ist. Im Designprozess gilt es diese Probleme anhand von Beobachtungen der betroffenen Personen, Interviews mit ihnen und diverser anderer Design-Research Methoden zu hinterfragen, um dadurch tieferliegende Bedürfnisse zu finden. Diese Bedürfnisse gilt es dann in einer Lösung anzusprechen, um einen echten Wert für die Zielgruppe zu schaffen. Empathie spielt dabei eine wichtige Rolle, um sich in die potentiellen Nuzer:innen einzufühlen und diese zu verstehen, um in weiterer Folge tieferliegende Erkenntnisse zu gewinnen.

Nachhaltiges Agieren
Schon 1992 verfassten William McDonough und Michael Braungart Designrichtlinien, bekannt als „Hannover Principles“, die Designer:innen aufzeigen sollten, was sie bei der Gestaltungen von Neuem beachten sollten (Kobuss und Hardt, 2012). Beim Designen geht es schließlich nicht nur um die Form und Funktion, sondern auch um alles, was dahintersteckt, was diese Form und Funktion einerseits möglich macht, andererseits wie das Design an die NutzerInnen gebracht wird und außerdem, wie externalisierte Designs nach dem Ableben im Sinne eines Circular Designs weiterleben oder weiterverwendet werden. All diese „unsichtbaren“ Aspekte eines Designs und von Designprozessen müssen im Sinne der Nachhaltigkeit gestaltet werden.

Problembasiertes Lernen
Problembasiertes Lernen ermöglicht es Lernenden, selbstbestimmt und selbstständig an einer Problemlösung zu arbeiten. Die Probleme werden anhand eines Prozesses in möglichst interdisziplinären Kleingruppen untersucht und gelöst. Dabei sollen neben den nachhaltigen und wertbringenden Problemlösungen auch transferfähiges Wissen und spezifische Lern- und Denkstrategien erworben werden (Reusser, 2005). Durch die Begleitung von Coaches im Prozess, das Reflektieren über Vorgehensweisen und Learnings wird Wissen gemeinsam generiert und auch angeeignet.

Wir möchten mit unserer Forschungsarbeit daher folgende Frage beantworten:

Wie kann ein edukativer Ansatz zur Vermittlung von nachhaltigem Grafikdesign aussehen?

Verfasser:innen

Teresa Sposato, Bakk. MA
Dipl.-Ing. Stefanie Mayrwöger BSc.

Quellen

Arnold, F. (2016). Philosophie für Designer. Aus der Reihe: Bibliothek für Designer. avedition GmbH – Verlag für Architektur und Design.

Ceballos, G., Ehrlich, P. R., Dirzo, R. (2017). Population losses and the sixth mass extinction. Proceedings of the National Academy of Sciences Jul 2017, 114 (30) E6089-E6096; DOI: 10.1073/ pnas.1704949114

Kobuss, J., Hardt, M. (2012). Erfolgreich als Designer. Designzukunft denken und gestalten. Birkhäuser Verlag.

Norman, D. A. (2013). The design of everyday things: revised and expanded edition. New York: Basic Books, a member of the Perseus Books Group

Reusser, K. (2005). Problemorientiertes Lernen. – Tiefenstruktur, Gestaltungsformen, Wirkung. In Beiträge zur Lehrerinnen- und Lehrerbildung 23 (2005) 2, S. 159-182.

Simon, H. (1988). The Science of Design: Creating the Artificial. Design Issues, 4(1/2), p. 67-82. doi: 10.2307/1511391

William McDonough & Partners (1992). The Hannover Principles. Design for Sustainability. Prepared for EXPO 2000. Retrieved from https://www.mcdonough.com/wp-content/uploads/2013/03/Hannover-Principles-1992.pdf